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Es könnte immer weitergehen...

un ist dieses schreckliche Buch - zumindest vorläufig - zu Ende geschrieben, und es toben tausend Zweifel durch meinen Kopf.

Da ist vor allem die Frage, ob es wirklich beendet ist, ob es vollendet ist.
Ich bin da eher misstrauisch. Es gibt noch zu viele Kleinigkeiten, zu viele Rand- und Zwischenbemerkungen, die alle entweder bewusst weggelassen oder schlicht vergessen wurden.

Eigentlich glaube ich nicht, dass man ein solches Buch wirklich beenden kann.
Das geht weder für den Schreiber, noch für den Leser. Und in vielen Jahren wird es
vielleicht eine Fortsetzung geben, eine Ergänzung, die nicht einmal unbedingt von mir sein muss.

Was ich aber jetzt noch unbedingt loswerden möchte, was ich noch sagen und mitteilen muss und will - sogar noch einmal, damit es nicht überlesen und überhört wird:

Ich weiß sehr wohl, dass Du Dich nicht selbst gemacht hast, zumindest nichts von den vielen sehr wichtigen Teilen, die Dich ausmachen, aus denen Du zusammengesetzt bist. Ich bin Dir nicht böse, dass Du immer noch so bist wie Du bist. Vielleicht wird sich daran nie etwas ändern, vielleicht nur ein wenig, wenn Du Deine ganze Kraft einsetzt. Aber wie es auch ausgeht, ich mache Dir keinen Vorwurf.

Wie wir alle bist Du von diesem Leben restlos überfordert und überrannt worden. Und wenn Du Entscheidungen getroffen hast, dann waren es nur in den seltensten Fällen Entschlüsse, die aus einer großen und vielfältigen Menge von Möglichkeiten schöpfen konnten. Meistens konntest Du nur Ja oder Nein sagen, manchmal nicht einmal das.

Mit dem Abschied vom Leben ist es wohl wie mit diesem Buch - es geht zu Ende, aber als vollendet werden es nur ganz wenige Menschen betrachten können. Es könnte immer weiter gehen.





Letzte Worte

Nun ist dieses Buch zwar zu Ende geschrieben, aber Sie müssen es noch zu Ende lesen. Selbst wenn Sie hier angelangt sind, werden Sie weiterlesen, nochmal von vorn oder mittendrin oder gezielt eine einzelne verDichtung oder einen anderen der Texte. Dieses Buch legt man nicht einfach aus der Hand, wenn die letzte Seite umgeblättert wurde. Da ist zuviel, was durch den Kopf geht, zuviel, was noch nicht ganz verstanden wurde oder was (man) einfach nochmal (ge)lesen (werden) möchte. So sollte es jedenfalls sein – im Idealfall.

Und durch meinen Kopf toben tausend Zweifel…
Da ist vor allem die Frage, ob es wirklich beendet, ob es vollendet ist. Ich bin da eher misstrauisch. Es gibt noch zu viele Kleinigkeiten, zu viele Rand- und Zwischenbemerkungen, die alle entweder bewusst weggelassen oder schlicht vergessen wurden. War da nicht noch ein Satz, den ich unbedingt hätte aufschreiben müssen, ein Wort, das in einer der verDichtungen zuviel oder falsch war oder fehlte? Eigentlich weiß ich es ja, dass man ein solches Buch nicht wirklich beenden kann. Das geht weder für den Schreiber, noch für den Leser. Aber in einigen Jahren wird es vielleicht eine Fortsetzung geben, eine Ergänzung, die nicht einmal unbedingt von mir sein muss.

Was ich aber jetzt noch unbedingt loswerden möchte, was ich noch sagen und mitteilen muss und will - sogar noch einmal, damit es nicht überlesen und übergangen werden kann:

Ich weiß, dass dieses Buch mit Ihnen oftmals nicht zimperlich umgegangen ist, aber ich weiß sehr wohl, dass Sie sich nicht selbst gemacht haben, zumindest nichts von den vielen sehr wichtigen Teilen, die Sie ausmachen, aus denen Sie zusammengesetzt sind. Ich bin Ihnen nicht böse, dass Sie immer noch so sind wie Sie sind. Vielleicht wird sich daran nie etwas ändern, vielleicht nur ein wenig, wenn Sie Ihre ganze Kraft einsetzen. Aber wie es auch ausgeht, ich mache Ihnen deswegen keinen Vorwurf.

Wie wir alle sind Sie von diesem Leben überfordert und überrannt worden. Und wenn Sie Entscheidungen getroffen haben, dann waren es nur in den seltensten Fällen Entschlüsse, bei denen aus einer großen und vielfältigen Menge von Möglichkeiten ausgewählt werden konnte. Meistens konnten Sie nur Ja oder Nein sagen, manchmal nicht einmal das. Ob Sie durch dieses Buch verändert wurden, verändern werden, weiß ich allerdings nicht. Wenn ja, dann hoffentlich so, dass es Ihnen und denen gefällt, die sich in Ihrer Nähe befinden.

Eine Bitte habe ich noch:
Wenn nicht sowieso beabsichtigt, dann versuchen Sie doch einmal, nur meine verDichtungen zu lesen und das ganze Drumherum zu ignorieren. Ich habe sie dafür eigens in der gesonderten Spalte (der rechten auf den rechten Seiten) hintereinander geordnet, obwohl das eine oder andere an verschiedenen Stellen im Buch auch vorkommen. Jetzt, nachdem Sie durch die Lektüre etwas geschult sind, wird Ihnen der Zugang nicht nur noch leichter fallen, Sie werden auch die Schönheit der „Gebundenen Sprache“ deutlicher sehen können. Und schließlich wird Ihnen das, was an Aussagen in diesen Versen enthalten ist, nun vielleicht noch näher rücken, vor allem, wenn Ihnen so eine verDichtung ganz allein gegenübersteht: Sie und die Verse Auge in Auge gegenüber – ganz allein mit sich und sich.

Natürlich hoffe ich, dass die Randbemerkungen und all die anderen Notizen und zuvörderst die Gedanken rund um die verDichtung mit ihrer Entstehungsgeschichte, die Dokumentation (die linke Spalte der rechten Seiten), dabei helfen, verDichtungen (sowohl den Vorgang als auch die Ergebnisse) besser zu verstehen. Aber wichtig ist mir vor allem, dass meine verDichtungen beachtet werden, dass sie gemocht und vielleicht sogar von diesem oder jener auswendig gelernt werden. Es handelt sich schließlich um die Essenz all dessen, was in diesem Buch steht.

Ich habe vieles geschrieben, es ist viel mehr geworden als ich ursprünglich eingeschätzt hatte – und doch gibt es noch viel mehr zu sagen. Wenn ich den letzten Punkt gemacht und das letzte Wort korrigiert habe und vier Wochen vergangen sein werden, wird es ganz sicher schon wieder viele Dinge geben, die ich noch ergänzen möchte. Nun, das werde ich vielleicht auch tun. Wenn der Erfolg dieses Buches es zulässt, wird es höchstwahrscheinlich eine zweite Auflage geben, die nicht nur überarbeitet, sondern auch ergänzt sein wird. Und wenn dieses Buch keinen Erfolg haben sollte, hat sich die Sache sowieso erledigt.

Und nun, fast ganz zum Schluss, noch eine wichtige Eröffnung:
Ob die Dokumentation der Denk- und Lebensprozesse, die sich als Begleitmusik beim verDichten abspielen, geglückt ist, überlasse ich dem Urteil der Leserschaft. In der Ausprägung, dass bei dieser Dokumentation eine zentrale verDichtung entsteht, gewissermaßen das EINE GEDICHT, das alles in den Schatten stellt, was hier ansonsten abgedruckt ist, kann (oder muss) ich selbst dieses Vorhaben als nicht geglückt bezeichnen. Und deshalb gehe ich jetzt einen letzten Schritt, der es einfacher macht, der den großen Plan zudem erfüllt, aber gleichzeitig auf den Kopf stellt, weil dadurch alles ganz anders wird. Dieser letzte Schritt bedeutet, dass ich das Buch insgesamt als diese zentrale verDichtung verstehe und verstanden wissen möchte. Dieses Buch ist DAS GEDICHT, voller Verse vieler nur denkbaren Arten, mit und ohne Reime, diversen Metren, mal eingängig rhythmisch und dann wieder holpernd & stolpernd und auch ganz ohne die üblichen Merkmale „gebundener Sprache“. In und mit diesem Buch verwirklicht sich (fast) alles, was an lyrischen Brocken & Bröckchen durch die poetischen Sphären segeln kann. Und fertig ist es an vielen Stellen auch nicht – kurz:
Es handelt sich um ein lyrisches Werk in noch nicht beschriebener Gestalt, „ausgefranst“1 genug, um dem großen Anspruch sinnvoller Sinnlosigkeit zu genügen.

Mit dem Abschied vom Leben ist es wohl wie mit diesem Buch - es geht zu Ende, aber eigentlich könnte es immer weitergehen. Doch selbst, wenn das Leben eine halbe Ewigkeit dauerte, wenn das Buch mehr Seiten hätte, als es Sterne am Himmel gibt, wäre wohl nichts anders. Es wäre immer zu früh, um vollendet zu sein – und es wäre immer noch nicht alles gelebt und alles gesagt.
Das macht nichts – am Ende herrscht ohnehin Schweigen; am Ende ist alles ganz still…


1
Als „sinnvolle Sinnlosigkeit“ bezeichne ich, was Theodor W. Adorno rund um sein vieldiskutiertes Diktum über die Kunst in modernen Zeiten sagt, wonach es „barbarisch“ sei, nach Ausschwitz ein Gedicht zu schreiben.

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