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III

Lührigg und Lyrik
Wenn Wörter mit Worten verwechselt werden


n diesem Kapitel kann es nun - nach den Einstimmungen in Kapitel I und II - um die Frage gehen, warum das poetische Schaffen vieler zeitgenössischer Autor(inn)en, die sich der Herstellung von "Gedichten" verschrieben haben, zu so hoffnungslos grässlichen Ergebnissen führt. Ich benutze das Wort grässlichen hier nach reiflicher Überlegung, weil es als Zusammenfassung die Eigenschaften dieser "modernen" Lührigg am treffendsten beschreibt. Aber es ist durchaus sinnvoll, diese Zusammenfassung in seine Bestandteile zu zerlegen. Dazu gleich mehr - hier zunächst drei Zitate, die ich - neben den Gedanken von Joachim Ringelnatz aus Kapitel I - als wichtige Wegweiser für diese (und kommende) Lührigger(innen) aufführe:

  • "Es schreibt keiner wie ein Gott, der nicht gelitten hat wie ein Hund."
    Marie von Ebner-Eschenbach

  • "If there is no atmosphere in poetry, the poem is dead, because it is unable to breathe."
    Pablo Neruda

  • "Die Sudler sollten ihre Dummheit an etwas anderm auslassen, als an der deutschen Sprache."
    Arthur Schopenhauer

    Und ich füge einen eigenen Gedanken hinzu:

  • Ein Gedicht sollte - zumindest seine zentrale(n) Aussage(n) - auf Anhieb zu verstehen sein.

    Damit werden bereits einige Markierung erkennbar, die in der Horde der grässlichen Verfehlungen als Orientierungshilfen wichtig sind. Die von Pablo Neruda geforderte "atmosphere" beispielsweise kann nur dann entstehen, wenn die Begriffe in einer verDichtung ihrer Bedeutung gemäß verwendet werden, wenn sie also verstanden werden können. Wenn Autor(inn)en Wörter benutzen, deren Bedeutung im Kontext nicht sinnvoll eingebettet ist, führt das bei den Leser(inne)n in erster Linie zu so ausgeprägten Irritationen, dass die Atmosphäre zu einer Nebelwand bei Nacht gerinnt, die keinerlei weitere Ausblicke mehr zulässt. Und Schopenhauers Sudler sind all jene, die beim Verfassen ihrer Texte keine Gelegenheit für irgendwelche Schlampereien auslassen - ganz gleich ob sprachlich, inhaltlich oder in Form sonst einer Gefahr, die beim Schreiben lauern kann.

    Bleibt noch Frau von Ebner-Eschenbach, die große Worte für ihre Diagnose gefunden hat: Gott und Hund sind zwar für sich betrachtet nur Wörter, aber in ihrem Zusammenhang und -klang erzeugen sie ein Gewicht, das die Aussagekraft des Satzes extrem steigert, ihn zum Wort macht und dafür sorgt, dass das darin enthaltene Zusammenspiel von <schreiben&Gott> und <gelitten&Hund> fast automatisch für richtig, zumindest aber für bedenkenswert gehalten wird. Für allerdings sehr bedenklich halte ich, dass bei vielen zeitgenössischen Poet(inn)en der von Frau von Ebner-Eschenbach hergeleitete Zusammenhang nur in den seltensten Fällen eine Rolle zu spielen scheint: Weder der Hund noch der Gott sind in dieser Lührigg der vermeintlich modernen Dichter.innen spürbar - und wenn der Hund doch mal zu erkennen ist, wird der Gott dafür umso unsichtbarer.
    Na, wie im richtigen Leben eben. Da lassen sich die Götter schon seit Jahrtausenden nicht mehr sehen, wozu Näheres hier zu finden ist...

    un aber zu den weiteren Grässlichkeiten, die sich besonders bei den zeitgenössischen Lührigger(inne)n wie die Pest verbreitet haben. Eine besonders üble davon ist die Beliebigkeit sowohl bei den formalen als auch bei den inhaltlichen Aspekten vieler "Werke". Damit ist nicht die Themenwahl gemeint - zumindest nicht in jedem Fall -, sondern vor allem die handwerkliche Umsetzung durch eine Wortwahl, der allzuoft der fade Beigeschmack anhaftet, dass da irgendein Wort gewählt wurde, von dem die Urheber(innen) irgendwie meinten, dass es bei den Leser(inne)n die "richtigen", also die vom Schreibenden tatsächlich auch beabsichtigten Assoziationen herbeiführen könne, obwohl dieses Wort seiner ursprünglichen Bedeutung nach eine völlig andere Information trägt.

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