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Nur nicht anfassen!


eim Lesen in Heinz Pionteks schon fast klassischer Anthologie "Deutsche Gedichte seit 1960" - es war ungefähr bei den Gedichten von Hans Magnus Enzensberger - plötzlich die Klarheit:

Fast alle Lyriker dieser Zeit - und natürlich auch der Zeit danach - schreiben, dichten, formulieren, beschreiben "ihre" Gegenstände so als seien sie entweder unberührbar, weil heilig (oder etwas ähnliches) oder unberührbar, weil schrecklich (oder etwas ähnliches).

Bei Enzensbergers Gedicht "nänie auf die liebe" sah ich es am deutlichsten:

dies haarige zeichen
auf der abortwand
wer erriete daraus
die lieder der tränen


Bei mir geht das so:
Man sieht dich oft im Bahnhofsklo
in feuchten Männerhänden
dort prangst du auf Null-Null-Niveau
als Kleinkunst von den Wänden.
Dass es in meiner verDichtung auch um die lieder der tränen à la Enzensberger geht, ich also nicht nur der Drastik im Ausdruck gehuldigt, sondern auch die inhaltlichen Abgründe thematisiert habe, kann hier vollständig nachgelesen werden.

Und ich frage mich natürlich, was all die Großen (ich fühle mich ja nach wie vor klein) eigentlich davon abhält, die Dinge beim Namen zu nennen?
Ist das eine bei mir nicht vorhandene Noblesse, sind sie feiner als ich, vielleicht zurückhaltender, um sich keine Blöße zu geben?
Und welchen Preis sind sie dafür zu zahlen bereit, dass sie nur mit langen Fingern in einem Unrat herumstochern, dessen Gestank und dessen Widerwärtigkeit sie doch eigentlich deutlich zeigen wollen?
Auf die letzte Frage lautet die Antwort immer wieder: Es ist der Preis der Verständlichkeit, der Aufmerksamkeit, der Preis, der bescheidenen Buchauflagen und natürlich damit auch der Preis einer spürbaren Wirkung, einer Wirkung auch auf die breiten Massen, auf ein großes Publikum, bei dem die Einzelnen von ihrem Leseerlebnis, ihrem Abenteuer mit einem Gedicht, ihren Freunden und Bekannten berichten, vielleicht sogar begeistert.

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